Werner Teske

 

Deutscher Offizier und Mitarbeiter des Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR im Range eines Hauptmannes; wurde bereits während seines Studium der Volkswirtschaft an der Humboldt-Universität in Berlin Volkswirtschaft vom MfS angeworben und arbeitete dann hauptamtlich für deren Hauptverwaltung Aufklärung in der Wissenschaftsspionage im westlichen Ausland. Ab Mitter der 1970er Jahre befielen ihn solch erhebliche Zweifel am System der DDR, daß er mit dem Gedanken spielte, sich in die Bundesrepublik abzusetzen. In Vorbereitung seiner Flucht sammelte er Akten, die er mit nach Hause nahm. Als aufgrund strengerer Überprüfungen von Mitarbeitern auch Teskes Wohnung durchsucht wurden die von ihm beiseite geschafften Unterlagen. Teske wurde daraufhin wegen versuchten Landesverrats in einem besonders schweren Fall sowie der Fahnen- und Republikflucht in einem auch innerhalb des MfS geheimen Prozesses vor einem Militärgericht in Berlin angeklagt und 1981 zur Höchststrafe, der Todesstrafe, verurteilt und nach einem abgelehnten Gnadengesuch durch einen Kopfschuß in Leipzig exekutiert. Seinen Familienangehörigen gegenüber wurde die Hinrichtung, die streng geheim gehalten wurde, verschwiegen. Es hieß, Teske sei bei einem Autounfall ums Leben gekommen, Nachforschungen wurden untersagt. Nach der Wende wurde er 1993 rehabilitiert, da das Urteil mit rechtsstaatlichen Prinzipien nicht vereinbar gewesen sei. Ein am ursprünglichen Urteil beteiligter DDR-Militärrichter und ein Militärstaatsanwalt wurden wegen Totschlags und Rechtsbeugung bzw. Beihilfe zu vier Jahren Haft verurteilt, da die Verurteilung der Tat, die über das Versuchsstadium hinaus gekommen war, Rechtsbeugung gewesen sei, da sie selbst nach dem damals in der DDR geltendem Recht unverhältnismäßig gewesen sei.

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Bild: Martin Günter (06/2010)

Leipzig, Südfriedhof, Urnenhain

Bilder: Thomoesch  (12/2009) wikipedia.de

Karl Wilhelm Jerusalem

                                 

 

Deutscher Legationssekretär; Sohn des protestantischen Theologen, Abts und Konsistorialrates Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem; studierte seit Herbst 1765 Rechtswissenschaften in Leipzig, wo er Johann Wolfgang Goethe als “einen Geck” kennenlernte, und anschließend in Göttingen. 1770 ernannte ihn der Herzog vonVignette aus der 2.Auflage des Werthers Braunschweig zum Assessor an der Justizkanzlei in Wolfenbüttel, wo er u.a. Gotthold Ephraim Lessing kennenlernte, der dort die herzogliche Bibliothek betreute. Als er ein Jahr später, im September 1771, als braunschweigischer Legationssekretär an das Reichskammergericht, das nach der Zerstörung Speyers 1689 im Rahmen des Pfälzischen Erbfolgekrieges im Jahre 1693 nach Wetzlar verlegt worden war, gesandt wurde, um dort Prozeßführung zu studieren, traf er dort Goethe wieder, der Jerusalem wie folgt beschrieb:”Seine Gestalt gefällig, mittlerer Größe, wohlgebaut, ein mehr rundes als längliches Gesicht, weiche, ruhige Züge...; blaue Augen sodann, mehr anziehend als sprechend zu nennen. Seine Kleidung war die bei den Niederdeutschen in Nachahmung der Engländer hergebrachte: blauer Frack, ledergelbe Weste und Unterkleider und Stiefel mit braunen Stulpen”. Allerdings fand er dort nur zu dem ihm in seinem Hang zur Melancholie wesensverwandten Christian Albrecht von Kielmannsegg ein näheres Verhältnis.

Elisabeth Herd

Mit seiner Arbeit am Obersten Gerichtshof war Jerusalem unzufrieden, war mehr an Kunst und Literatur sowie der Philosophie interessiert, fand sich aber auch unverstanden und einem Standesdünkel ausgesetzt. Sein Vorgesetzter, der braunschweigische Gesandte Höfler, drangsalierte ihn und beklagte sich mehrmals über ihn in Braunschweig.

Die unglückliche Liebe zu der für die hübscheste Frau in Wetzlar geltende 30jährigen Elisabeth Herd1, Tochter des Hofbildhauers und Stuckateurs Paul Egell (*1691, †1752) und mit dem kurpfälzischen Legationssekretär verheiratet, brach ihm das Herz. Jerusalem schoß sich sieben Wochen, nachdem Goethe Wetzlar verlassen hatte, in einem Anfall von Schwermut über die unerfüllte Liebe mit einer Pistole in den Kopf, die er sich “wohl zu einer vorhabenden Reise” von Johann Christian Kestner geliehen hatte2. Jerusalem wurde in aller Stille mit zwölf Laternen und mit einigen Begleitern - jedoch ohne Beisein eines Geistlichen - mit zwölf Laternen und mit einigen Begleitern beigesetzt.

Sein Freitod regte Goethe zu seinem Briefroman Die Leiden des jungen Werthers an, den er ein Jahr später verfaßte und in dem sich Werther mit einer ebenfalls geborgten Pistole ein Loch in die rechte Schläfe schießt. Die von Goethe beschriebene Bekleidung Jerusalems wurde nach Erscheinens des Romans unter den jugendlichen Lesern zur deren bevorzugter Kleidung.

Dürfte ich Ew. Wohlgeb. wohl zu einer vorhabenden Reise um Ihre Pistolen gehorsamst ersuchen? Den 29. Oct. 1772, mittags 1 Uhr

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1 Kestner beschrieb sie wie folgt: “Sie ist eine Schönheit und ohne Widerspruch die schönste Frau in allen Rangstufen hier. Außerdem hat sie fast alle Eigenschaften einer vollkommenen Frau: Talente, Wissen - unter anderm spricht sie französisch und italienisch -, Geist, ein sehr gutes Herz, einen edlen Charakter; und um alles zu krönen, ist sie von untadelhafter Tugend, so schön sie auch ist.”

2 Werther schickte seinen Knaben zu Albert mit einem Zettelchen (folgenden Inhalts:”Dürfte ich Ew. Wohlgeb. wohl zu einer vorhabenden Reise um Ihre Pistolen gehorsamst ersuchen? Den 29. Oct. 1772, mittags 1 Uhr“), den .er diesem überreichte, worauf Albert sich gelassen zu seiner Frau umwendete und zu ihr sagte, ”gib ihm die Pistolen”, zu dem Knaben “ich lasse ihm glückliche Reise wünschen”. Langsam ging Lotte nach der Wand, zitternd nahm sie das Gewehr herunter, putzte den Staub ab und zauderte” ... ”Der Knabe kam mit den Pistolen zu Werthern, der sie ihm mit Entzücken abnahm, als er hörte, Lotte habe sie ihm gegeben. Er ließ sich Brot und Wein bringen, hieß den Knaben zu Tische gehen und setzte sich nieder, zu schreiben... ”Sie sind durch deine Hände gegangen, du hast den Staub davon geputzt, ich küsse sie tausendmal, du hast sie berührt! Und du, Geist des Himmels, begünstigst meinen Entschluß, und du, Lotte, reichst mir das Werkzeug, du, von deren Händen ich den Tod zu empfangen wünschte, und ach! Nun empfange. O ich habe meinen Jungen ausgefragt. Du zittertest, als du sie ihm reichtest, du sagtest kein Lebewohl! – wehe! Wehe! Kein Lebewohl! – solltest du dein Herz für mich verschlossen haben, um des Augenblicks willen, der mich ewig an dich befestigte? Lotte, kein Jahrtausend vermag den Eindruck auszulöschen! Und ich fühle es, du kannst den nicht hassen, der so für dich glüht”. (aus Die Leiden des jungen Werther)

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Wetzlar

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Bild: Otto Prohaska (10/2010)

Wien, Zentralfriedhof

Alois Podhajsky

 

 

Österreichischer Offizier; war Offizier in einem k.u.k. Infanterieregiment. Podhajsky, der ersten Reitunterricht im Alter von zwölf Jahren erhalten hatte, nahm zunächst an Springturnieren teil und hatte und erste Dressurerfolge, bevor er zur Kavallerie versetzt wurde. Bei den XI. Olympischen Sommerspielen 1936 in Berlin erzielte er mit dem Hengst Nero die Bronzemedaille im Dressurreiten. Am 1.3.1939 erfolgte seine Ernennung zum Kommandeur der Spanischen Reitschule, eine Position, die er er bis 1964 innehatte. Seiner Initiative ist es zu verdanken, daß die nach dem Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich im Jahre 1938 in Spanische Reitschule umbenannte Einrichtung wieder in Spanische Hofreitschule umbenannt wurde. Er vergößerte an Anzahl der Pferde von 30 auf 70 und führte u.a. den Galoppwechsel à tempo ein. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges wurden die Lipizzaner im Februar und März 1945 aus Wien evakuierte. Erst 1955 konnte die Rückverlegung der Reitschule in die angestammten Gebäude in Wien erfolgen. Aber bereits seit 1949 ging die Spanischen Hofreitschule unter Podhajsky auf Auslandstourneen. Sie war nachmals so bekannt, daß 1963 der US-amerikanischer Film Miracle of the White Stallions (dt. Die Flucht der weißen Hengste) gedreht wurde, in dem Podhajsky den Protagonisten Robert Taylor doubelte. Nach seiner Pensionierung wirkte Podhajsky weiterhin als Reitlehrer und verfaßte zahlreiche Bücher über das Reiten.

Inschrift: Dass mir eines Rosses Ehre mangle nicht im Geisterheere.

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Bild: Jürgen Hempel (11/2010)

Hannelore Loki Schmidt

 

Deutsche Pädagogin; Tochter eines Betriebselektrikers, der in der Folge der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er/Anfang der 1930er Jahre seine Arbeit auf einer Werft verlor; Loki wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Als Schülerin der Lichtwarkschule in Hamburg lernte sie 1929 ihren späteren Mann Helmut kennen, der dort ebenfalls Schüler war. Ihren Wunsch, nach dem Abitur und Reichsarbeitsdienst Biologie zu studieren, mußte sie aufgeben, da die Familie das Geld für die Studiengebühren nicht aufbringen konnte; sie studierte daher Pädagogik auf Lehramt für Volksschulen. Diese Ausbildung konnte sie nach vier Semestern 1940 erfolgreich abschließen. Bei einem Heimaturlaub ihres Freundes verlobte sich das Paar 1942 und heiratete am 1.7. desselben Jahres. Von 1940 bis 1972 arbeitete sie als Volks-, Grund- bzw. als Realschullehrerin. Nachdem ihr Mann 1974 Bundeskanzler geworden war, übernahm sie die repräsentativen Aufgaben einer “First Lady”.

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Hamburg, Friedhof Ohlsdorf

Joseph Ben Issachar Süßkind Oppenheimer (vulgo Jud Süß)

Hoffaktor (Finanzmann); Sohn aus der dritten, 1697 in Frankfurt am Main geschlossenen Ehe seines Vaters Issachar (†1707) mit Michele, die ausgewiesen schöne Tochter des Kantors Gabriel aus dem Frankfurter Judenviertel, von der er sich später entfremdete, da sie ihn, als sie erneut heiratete, mit ihrem Ehemann nach Wassertrüdigen zog und ihn bei der wohlhabenden Verwandtschaft in Heidelberg zurückließ (als die Mutter später zu ihm ziehen beabsichtigte, verschloß er sich ihrem Wunsch). Da Juden zur damaligen Zeit der Zugang zu den sog. bürgerlichen Berufen verwehrt war, sie weder über Landbesitz verfügen noch Mitglied der Zünfte sein durften, verdiente er seinen Lebensunterhalt als Privatfinanzier und stieg mit der Vergabe von Krediten an verschuldete Adlige finanziell und auch gesellschaftlich auf. So war er u.a. in Mannheim, Darmstadt und Frankfurt am Main und für den pfälzischen und den Kölnischen Kurfürsten als Finanzmakler tätig, eine Tätigkeit, die ihn zu Reichtum kommen ließ. Bei einer Heiratsvermittlung im Auftrag des Herzogs Eberhard Ludwig von Württemberg (*1676, †1733) lernte Karl Alexander von Württemberger auf einer gemeinsamen Reise mit dem Finanzier Isaak Simon Landauer 1732 in (Bad) Wildbad dessen unter chronischem Geldmangel leidenden Neffen Karl Alexander (*1684, †1737) kennen, der ihn noch im selben Jahr zu seinem Hof- und Kriegsfaktor ernannte. Nach dem Tode Eberhard Ludwigs, der das Land hochverschuldet - auch aufgrund der Ansprüche seiner langjährigen Mätresse Gräfin Wilhelmine von Grävenitz (* 1684, † 1744), vom Volk mit “Hur” tituliert - hinterließ, führte Joseph Süß ab 1736 als Geheimer Finanzrat Herzog Carl Alexanders zahlreiche neue Steuern und Abgaben im Sinne eines merkantilistischen Wirtschaftssystems unter Umgehung der Rechte der protestantischen Landstände ein (Carl Alexander war aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus im pietisch-protestantischen Ländle vom protestantischen zum katholischen Glauben übergetreten). Oppenheimers Wohlstand und seine rigide Geld- und Steuerpolitik riefen bei vielen der Landesbeamten und Bürgern Württembergs Neid und Haß hervor. Unmittelbar nachdem Carl Alexander unerwartet an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben war, richtete sich der Unmut und Haß der Steuerzahler gegen Joseph Süß, der zwar Bankier des Herzogs war und Geheimer Finanzienrat, aber niemals seine Unterschrift unter ein offizielle Dokument gesetzt hatte. Sein Personal wurden festgenommen, sein gesamtes Vermögen konfisziert sowie alle seine privaten und geschäftlichen Schriftstücke beschlagnahmt. Verhaftet wurde auch Luciana Fischer, eine aus der Nähe von Bad Kreuznach stammende Christin: Süß hatte die 20 Jahre jüngere Frau 1736 in Frankfurt am Main kennengelernt und sie mit nach Stuttgart genommen. In der Befragung bestritt sie zunächst eine Beziehung zu ihm und außerdem behauptete nicht gewußt zu haben, daß er Jude sei (“...das hab [ich] nicht gewiß gewußt, weil er nicht hat wellen, als Jud traktieret sein, auch sein Gesetz nicht gehalten...” zit. nach Haasis). Erst, als sie später im Zuchthaus von Ludwigsburg ein Kind gebar, gab sie die Beziehung zu (sie wurde des Landes verwiesen). Joseph Süß selbst, der sich - ohne jedoch seine jüdische Identität zu verleugnen - weitgehend gegenüber seinen jüdischen Glaubensgenossen abgekapselt und stets außerhalb der Ghettos Quartier genommen hatte, wurde zunächst auf die Burg Hohenneuffen gebracht, wo ein erstes provisorisches Verhör durchgeführt wurde. Am 30.5. wurde er dann auf die Festung Hohenasperg verlegt, wo er auch einer einer peinlichen Befragung unterzogen wurde. Joseph Süß verweigerte immer wieder die Aussagen und trat verschiedentlich in Hungerstreik (bei seiner Hinrichtung war er geradezu zu einem Skelett abgemagert). Neben Verfassungsbruchs (v.a. Majestätsbeleidigung, Hochverrat, Münzfrevel) wurde Anklage wegen Beraubung der staatlichen Kassen zwecks persönliche Bereicherung, Amtshandel, Bestechlichkeit, Schändung der protestantischen Religion und sexuellen Umgang mit Christinnen - letzterer Vorwurf wurde nicht aufrecht erhalten - zur Last gelegt. Das Versprechen, ihn zu begnadigen, falls er zum Christentum übertrete, lehnte er ab. Schließlich wurde Oppenheimer am 9.1.1738 ohne Nennung rechtskräftiger Beweise, herhaltend als Sündenbock für die von ihm ausgeführten Anweisungen des Landesherren, zum Tode verurteilt. Eingesperrt in einem eisernen, rot gestrichenen, zwölf Meter in die Höhe gezogenen Käfig wurde er am 4.2.1738 öffentlich auf dem oberhalb der Tunzenhofer Steige gelegenen Stuttgarter Galgenberg zur Schau gestellt. Angesichts von mindestens 12.000 Menschen, Offiziellen, der Stadtgarde und Gaffern, legte ihm Georg Franck, der 20jährige Sohn eines Scharfrichters aus Straßburg, von hinten einen Strick um den Hals und erwürgte ihn. Sechs Jahre lang wurde sein Leichnam in dem Käfig öffentlich als Abschreckung zur Schau gestellt, bevor ihn Herzog Karl Eugen bei seinem Regierungsantritt 1744 abhängen und in der Wolframshalde verscharren ließ.

Auf die Ereignisse um Oppenheimer griff Veit Harlan 1940 in seinem nationalsozialistischen Hetzfilm Jud Süß zurück, der den Holocaust propagandistisch vorbereiten sollte.

Schmähschrift auf Süß-Oppenheimer (~1738) zoom

 

 

 

 

 

 

 

Joseph Süß Oppenheimer mit Luciana Fischer zoom

 

Literatur: Wilhelm Hauff, Jud Süß (1828), Lion Feuchtwanger, Jud Süß (1925), Hellmut G. Haasis, Joseph Süß Oppenheimer genannt Jud Süß, Finanzier, Freidenker, Justizopfer (1998, Hamburg).

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Hinweis: Das Grab Jerusalems ist verschollen.

Bild: Arne Weitzl (05/2012)
Bild: Matthias Rohe (11/2010)

Johanne Wilhelmine Siegmundine Reichard  née Schmidt

 

Deutsche Ballonfahrerin; Tochter eines herzoglich-braunschweigischen Mundschenks; verbrachte ihre Kindheit und Jugend in ihrer Geburtsstadt. 1806 heiratete sie den Aeronauten Johann Gottfried Reichard (*1786, †1844), Professor für Physik in Braunschweig, mit dem sie die Leidenschaft für die Luftschifffahrt teilte. Sie bauten gemeinsam einen mit Gas gefüllten Ballon, mit dem sie beide 1810 in Berlin starteten. Am 16.4.1811 unternahm sie dann ihre erste Alleinfahrt in einem Ballon von einem im Garten der Berliner Königlichen Tierarzneischule bis in das rund 30 km entfernten, südlich von Berlin liegende Genshagen. Am 30. September folgte die dritte Ballonfahrt von Dresden aus, wobei sie bis zu einer Höhe von 7000 m in den Himmel aufstieg. Ihre Ballonfahrten setzte sich auch nach mehreren Bruchlandungen fort und unternahm Ballonfahrten von vielen deutschen Städten aus. Bis 1820 führte sie 17 Fahrten aus, die sie auch zu wissenschaftlichen Zwecken nutzte.

Als wissenschaftliche Mitarbeiterin ihres Gatten war sie auch auf dem Gebiet der Chemie tätig. So führte unter anderem Wetterbeobachtungen und Temperaturmessungen durch. Bei einer Ballonfahrt stieg sie dabei so hoch, daß sie wegen Sauerstoffmangels bewußtlos wurde. Der Ballon platzte, stürzte ab und blieb in einigen jungen Fichten hängen. Reichard überlebte mit einigen Verletzungen und stieg fünf Jahre später erneut auf. Ihre letzte Fahrt fand anläßlich des 10. Oktoberfests in München statt. 1814 übersiedelte sie nach Döhlen, wo sie bis zu ihrem Tode wohnte. Das Geld, das sie mit ihren Ballonfahrten verdiente, investierte sie in die 1821 gekaufte chemische Fabrik ihres Mannes, die sie auch nach dessen Tod im Jahre 1844 bis zu ihrem eigenen Ableben fortführte.

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Bild: Geri-oc (09/2015) Wikipedia.de
Bild: Geri-oc (09/2015) Wikipedia.de

Freital OT Döhlen, Friedhof

Thomas Clarkson

 

Englischer Philanthrop und Abolitionist; ältestes von drei Kindern eines Schulmeisters der Grammar School in Wisbech; studierte am St John's College in Cambridge. 1783 wurde er zum Diakon geweiht. Er gewann 1785 einen vom Hochschultheologen Peter Packard ausgeschrieben Rhetorikwettbewerb zum Thema “Ist es rechtens, andere gegen ihren Willen zu versklaven?“ Zwei Jahre später gründete er mit dem Sklaverei-Gegner Granville Sharp, dem Drucker James Phillips und einigen Quäkern in London die Society for Effecting the Abolition of the Slave Trade (Gesellschaft zur Abschaffung der Sklaverei), die auch Abolitionisten-Bewegung genannt wurde. Zunächst bekämpfte die Bewegung nur den Sklavenhandel, den das Bewegungsmitglied Olaudah Equiano am eigenen Leib erlitten hatte. Clarkson führte umfangreiche Recherchen in den Hafenstädten durch, Interviewte Beteiligte und sammelte Material über den Menschenhandel im atlantischen Sklavenhandel. Zur politischen Durchsetzung seiner Ziele nutzte er die Kontakte zum Unterhausabgeordneten William Wilberforce. 1807 wurde schließlich der Sklavenhandel verboten, und Clarkson erlebte noch die endgültige Abschaffung der Sklaverei in Großbritannien 1833.

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Bild: Phil Holmes (01/2008) Wikipedia.en
Bild: Phil Holmes (01/2008) Wikipedia.en

Playford (Grafschaft Suffolk), St Mary's Churchyard.

Bild: Phil Holmes (01/2008) Wikipedia.en

Die Grabstätte Clarksons befindet sich auf der rechten Seite vor der Kirche

Sara Forbes Bonetta Davies

1862

 

Prinzessin aus der westafrikanischen Yaruba-Dynastie; wurde 1848 vom König von Dahomey während einer “Sklavenjagd”,  in deren Verlauf ihre Eltern ermordet wurden, gefangengenommen. Zwei Jahre später wurde sie von Frederick E Forbes, Kapitän der königlichen Marine, gerettet, als er Dahomey als Abgesandter der britischen Regierung einen Besuch abstattete. Forbes überzeugte König Ghezo von Dahomey davon, daß es eine großzügige Geste sei, Sara Königin Victoria mit den Worten zum Geschenk zu machen, "sie sei ein Geschenk vom König der Schwarzen an die Königin der Weißen." Fornes nahm das junge Mädchen, das später den Namen ihres Retters Forbes und das seines Schiffes “Bonetta” annahm, mit nach England, wo er sie am 9.11.1850 mit nach Windsor Castle nahm und sie dort Königin Victoria vorstellte, die sofort von deren Intelligenz und ihrer geradezu königlichen Art eingenommen war. Sie .überantwortete Sara derChurch Missionary Society, damit sie dort erzogen würde. Sara, die eine fragile Gesundheit hatte, kehrte im Jahre 1851 nach Afrika zurück, um dort die Female Institution in Freetown, Sierra Leone, zu besuchen. Als sie 12 Jahre alt war, befahl Victoria Saras Rückkehr nach England, wo sie unter Aufsicht von Mr. und Mrs. Schon in Chatham gestellt wurde. Victoria war von ihrer natürlichen und zugleich königlichen Art sowie ihrer Begabung besonders in Bezug auf Literatur, Kunst und Musik so beeindruckt, daß für ihr Wohlergehen sorgte; außerdem konnte sie regelmäßig zu Besuch auf Windsor Castle weilen. Aber nicht nur die Königin, auch der gesamte Hofstaat sowie war von Sara beeindruckt. Selbst ihre Tutoren setzte sie mit ihren besonderen Fähigkeiten, der schnellen Auffassungsgabe und den raschen Lernerfolgen in Erstaunen.

Hochzeitsphoto

Im Alter von 18 Jahren sollte sie James Pinson Labulo Davies, einen 31-jährigen Yoruba-Geschäftsmann von beträchtlichem Reichtum, der in Großbritannien lebte, heiraten, diesen Vorschlag wies sie zunächst zurück. Sie wurde daraufhin zu zwei älteren Damen in Brighton gegeben, deren Haushalt sie als "trostlosen Schweinestall" bezeichnete. Schließlich bestimmte Victoria ihre Heirat, die in der St Nicholas Church in Brighton in August 1862 vollzogen wurde. Schon kurz nach der Heirat kam ihre Tochter Victoria zur Welt, die wie ihre Mutter Patenkind der britischen Königin wurde. Nach der Hochzeit zogen sich die Jungvermählten nach Westafrika, wo Sara auch getauft wurde, zurück. Schließlich ließ sich das Paar in Lagos, Sierra Leone, nieder, wo ihr Mann von 1872 bis 1874 Mitglied des Legislativrates war, während sie an der Schule in Freetown unterrichtete. 1867 besuchte Sara mit ihrer Tochter die Königin in England, kehrte dann aber nach Lagos zurück, wo noch zwei weitere Kinder geboren wurden. Sara, die zeit ihres Lebens unter einem hartnäckigen Husten litt, der vermutlich durch den Wechsel zwischen dem Klima im heßen Afrika und dem kühlen Großbritanniens ausgelöst worden war, begab sich im Jahr 1880 auf die vor der westafrikanischen Küste liegende Insel Madeira, um ihre Gesundheit wieder herzustellen; dort starb sie in Funchal im Alter von nur 40 Jahren

In ihr Tagebuch notierte Königin Victoria, als sie von dem Tode ihres Patenkinds Mitteilung erhielt: “Saw poor Victoria Davies, my black godchild, who learnt this morning of the death of her dear mother”

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Bild: Parsifal van Pallandt (02/2017)

Funchal, Cemitério Britânico (Britischer Friedhof)

Eduard Lucas

Deutscher Pomologe; Sohn eines Arztes; wurde bereits im Alter von nur zehn Jahren Vollwaise und kam zu seinem Onkel, Inhaber der Mohrenapotheke in Erfurt. Bereits als Jugendlicher interessierte er sich für den Gartenbau und die Botanik. Im Alter von 15 Jahren brach er das Gymnasium ab und begann im April 1831 eine dreijährige Lehrzeit bei dem Hofgärtner Eduard Richter im Luisium in Dessau an. Nach dem Ende der Ausbildung nahm er zunächst eine Stelle als Gärtnergehilfe bei der Handelsgärtnerei A. Bergemann in Frankfurt (Oder) an, wechselte aber nur drei Monaten später an den Botanischen Garten der Universität Greifswald. 1835 kehrte er in seine Heimatstadt zurück, wo er als als Gärtnereigehilfe arbeitete und von seinem Prinzipal in die Salzburger Alpe entsandte damit er dort Pflanzen und Samen für einen in der Gärtnerei angelegten Felsengarten zu sammeln. Am am 1.4.1838 begann er in München eine Tätigkeit im Botanischen Garten, wo er sich um den Kleinen Garten, der einige Glashäuser, ein Kakteenhaus und eine Anlage für Gemüsebau umfasste, kümmerte. Aufgrund seines Engagements und Sachverstandes durfte er an botanischen Vorlesungen und Exkursionen an der Universität München teilnehmen und unternahm selber gärtnerische Kulturversuche. 1841 erhielt er eine Anstellung als Leiter des botanischen Gartens in Regensburg., wo er erste Kenntnisse über Obstbau und Pomologie (Apfelkinde) erwarb. Im Jahr 1843 wurde er als Institutsgärtner an die neugegründete Gartenbauschule der Landwirtschaftliche Unterrichts-, Versuchs- und Musteranstalt Hohenheim berufen. Neben der Pflege der Obstbaumschule und der Obstkulturen des botanisch-ökonomischen Gartens und des Samenmagazins, gehörte auch der Unterricht in Obstbaumzucht, Gemüsebau, Zierpflanzenbau und Botanik zu seinen Aufgaben. Während er durch seine Ausbildung und bisherige Berufserfahrung mit den Themen Zierpflanzenbau und Botanik vertraut war.1859/60 gründete er in Reutlingen eine private Lehranstalt für Gartenbau, Obstkultur und Pomologie. Lucas war Geschäftsführer des von ihm gegründeten Deutschen Pomologen-Vereins und mit Oberdieck Herausgeber der Pomologischen Monatshefte. Er entfaltete auf dem Gebiet des Obstbaus eine reichhaltige schriftstellerische Tätigkeit.

Eduard Lucas verbesserte und erweiterte das von Adrian Diel entwickelte Dielsche-System zur Kategorisierung und Bestimmung von Apfelsorten, das daher auch als System Diel-Lucas bezeichnet wird; außerdem entwickelte er ein pomologisches System für Birnen und Pflaumen.

Verheiratet war Eduard Lucas mit Walburga “Wally” Rueff, der ältesten Tochter von Joseph Rueff, einem Münchner Hauptmann und Oberfeuerwerksmeister, die er während seiner Tätigkeit am Botanischen Garten in München kennengelernt hatte.

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Reutlingen, Friedhof Unter den Linden

Bilder: Markus Thumm (02/2017)

William Wilson

 

Englischer Maschineningenieur und Lokomotivführer; wurde 1829 von dem Ingenieur und Hauptbegründer des Eisenbahnwesens George Stephenson als Mechaniker eingestellt. Nachdem Stephenson 1835 die erste Dampflokomotive für die Ludwigs-Eisenbahn-Gesellschaft geliefert hatte, die für erste Bahnstrecke in Deutschland zwischen Nürnberg und Fürth eingesetzt werden sollte, war in ganz Deutschland kein geeigneter Lokführer verfügbar, so daß Stephenson auf Wunsch der Eisenbahngesellschaft auch den Lokführer und Ingenieur William Wilson mit einem auf acht Monaten befristeten Arbeitsvertrag zur Verfügung stellte. Wilson sollte zugleich das Personal im Betrieb der Lokomotive unterweisen sowie Nachfolger ausbilden Als am 7.12.1835 die Bahnstrecke mit einem Festakt in Betrieb genommen wurde, fuhr Wilson als Lokführer die erste deutsche Eisenbahn mit der Lokomotive Adler auf der neugebauten Strecke der Ludwigsbahn. Aufgrund seiner hohen Qualifikation wurde der Vertrag mit ihm schließlich immer wieder verlängert. Ab 1842 wechselte er sich mit seinem zweiten Gehilfen Bockmüller als Lokführer ab. Außerdem übernahm Wilson die Einrichtung und später die Leitung einer Bahnwerkstatt. Trotz mehrerer lukrativer Angebote seitens der Bayerischen Staatsbahn blieb Wilson bei der Ludwigs-Eisenbahn.

Wind und Wetter ungeschützt ausgesetzt - erst ab dem Winter 1845/46 wurden die Lokführer mit Ledermäntel als Wetterschutz ausgestattet und acht Jahre später die Lokomotiven mit Schutzdächern versehen - wurde Wilsons Gesundheit stark in Mitleidenschaft gezogen, so daß er seiner Tätigkeit ab 1859 nicht mehr regelmäßig nachkommen konnte. Anläßlich der 25-Jahr-Feier der Ludwigs-Eisenbahn wurde er hoch geehrt.

Eröffnung der Eisenbahnstrecke Nürnberg-Fürth am 7. Dezember 1835 

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Bild: Christopher Hofmann (07/2007) Wikipedia.de

Nürnberg, St. Johannis Friedhof

Sonstige LXXXIV

Omnibus salutem!